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pro mente Wien - Fachforum online
Das pro mente Wien Fachforum "AN KRISEN WACHSEN! Impulse zur Re- & Proflexion der Coronapandemie" fand am 14. Jänner 2021 ausschließlich virtuell statt. Sie finden hier den Videostream zum Nachschauen. Die Folien der Vorträge stehen Ihnen zum Download zur Verfügung. Darüber hinaus finden Sie hier einen Nachbericht zur Veranstaltung sowie eine Fotogalerie.
Videos
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“Was Corona mit uns macht und was wir aus der Pandemie machen”
Prof. Dr. med. Dr. phil. Manfred Spitzer
Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III am Uniklinikum Ulm
“Die Pandemie als Chance für einen grundlegenden Kurswechsel in der gesellschaftlichen Entwicklung”
Mag. Dr. Stephan Schulmeister
Wirtschaftsforscher und Universitätslektor
“Generation 2020: Jugend, Krise und Entwicklung”
Univ.-Prof. Dr. Paul Plener, MHBA
Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Nachbericht
Anstelle der traditionellen jährlichen Fachtagung, die 2021 coronabedingt abgesagt werden musste, lud pro mente Wien am 14. Jänner zum Fachforum online „An Krisen wachsen! Impulse zur Re- & Proflexion der Coronapandemie“. Rund 750 registrierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten drei Impulsvorträgen und einer anschließenden Podiumsdiskussion und beteiligten sich via Chat mit zahlreichen Fragen. Das Fachforum wurde von Mag.a Sonja Kato moderiert und live aus der Wiener Urania gestreamt.
Bereits in der Begrüßung und Einleitung durch die neu gewählte pro mente Wien-Obfrau Dr.in Hemma Swoboda sowie den Videobotschaften von Peter Hacker, amtsführender Stadtrat für Soziales, Gesundheit und Sport, und Ewald Lochner, MA, Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien, wurde festgestellt, dass die Coronapandemie massive Auswirkungen auf die Psyche der Menschen hat. Ein Weg aus der Krise kann nur dann erfolgreich und nachhaltig gelingen, wenn Aspekte der psychischen und sozialen Gesundheit in die Lösungsansätze miteinbezogen werden.
In seinem Impulsvortrag „Was Corona mit uns macht und was wir aus der Pandemie machen“ betonte Prof. Manfred Spitzer, wie wichtig es sei, zwischen körperlichem Abstand und sozialer Isolation zu unterscheiden. Es gelte, mit allen Mitteln zu verhindern, dass Menschen einsam werden, denn: „Einsamkeit ist tödlich. Einsamkeit nimmt uns unsere einzige Abwehr gegen das Virus“ (Zitat Spitzer). Ob die Welt nach Corona eine bessere oder schlechtere sein werde, hänge nicht vom Virus ab, sondern von jedem einzelnen von uns.
Ein Plädoyer für eine „bessere Welt“ lieferte auch Dr. Stephan Schulmeister in seinem Impulsvortrag „Die Pandemie als Chance für einen grundlegenden Kurswechsel in der gesellschaftlichen Entwicklung“. Die Pandemie verschärfe die Symptome der gegenwärtigen Systemkrise massiv, insbesondere die Ungleichheit. Daher müsse in einer radikalen Abkehr von neoliberalen Werten ein Weg aus der Krise eingeschlagen werden, der zu einer ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltigen Erneuerung des „Europäischen Modells“ führt.
Prof. Paul Plener warnte in seinem Impulsvortrag „Was die Jugend stark macht…“ davor, die Auswirkungen der Coronapandemie auf psychische Gesundheit bei Kindern zu unterschätzen. So führen Ausgangsbeschränkungen und Schulsperren u.a. zum Verlust der Tagesstruktur, vermehrter Mediennutzung, weniger körperlicher Aktivität und schlechteren Essgewohnheiten. Auch die häusliche Gewalt nimmt nachweislich bei gestiegener Anspannung wie beispielsweise im Home-Schooling zu. Wichtig sei, nach der Phase des exponentiellen Wachstums die psychosozialen Folgen der Pandemie in den Vordergrund zu rücken und sich auf das Potenzial der positiven Bewältigung zu fokussieren.
In der anschließenden Podiumsdiskussion betonte pro mente Wien-KlientInnenvertreter Wolfgang Brunthaler, wie wichtig es sei, psychisch kranke Menschen auch in Zeiten der körperlichen Distanzierung nicht alleine zu lassen, sondern per Telefon bzw. online zu unterstützen und Ansprechpartner für alltägliche Sorgen zu sein. Kulturwissenschaftlerin Dr.in Judith Kohlenberger nahm auf die Situation von Personen mit Fluchthintergrund Bezug, bei denen es durch die Pandemieerfahrung zu Retraumatisierungen kam. Schulschließungen während des ersten Lockdowns trafen insbesondere Kinder dieser besonders vulnerablen Gruppe, indem ihnen die Möglichkeit zum „sozialen Ankommen“ genommen wurde.
Dr.in Hemma Swoboda hob hervor, dass Menschen ein Bedürfnis danach haben, tätig bzw. nützlich zu sein und Beziehungen zu pflegen, was in Zeiten von Lockdowns insbesondere für Menschen mit psychischen Erkrankungen besonders schwierig sei. Sie plädierte dafür, mit niederschwelligen psychosozialen Angeboten näher an die Menschen heranzukommen und dezentrale Versorgungsstrukturen in einzelnen Bezirken („Grätzelprojekte“) aufzubauen. In ihrer Schlussbotschaft appellierte Swoboda an Politik wie auch Zivilgesellschaft, darauf zu achten, dass die Krise nicht die Schwächsten der Gesellschaft treffen dürfe.